Die biodiversitätsorientierte Landwirtschaft gewinnt zunehmend an Bedeutung als Antwort auf den alarmierenden Rückgang der Artenvielfalt in unseren Agrarlandschaften. Dieser innovative Ansatz vereint ökologische Prinzipien mit modernen landwirtschaftlichen Praktiken, um die Produktivität zu erhalten und gleichzeitig die biologische Vielfalt zu fördern. Durch die Integration verschiedener Anbaumethoden, intelligenter Bodenbewirtschaftung und artgerechter Tierhaltung schafft sie ein Gleichgewicht zwischen landwirtschaftlicher Erzeugung und dem Schutz natürlicher Ökosysteme. Doch wie sieht die praktische Umsetzung dieser Konzepte im Alltag der Landwirte aus?
Grundprinzipien der biodiversitätsorientierten Landwirtschaft
Die biodiversitätsorientierte Landwirtschaft basiert auf mehreren Kernprinzipien, die darauf abzielen, die natürliche Vielfalt in landwirtschaftlichen Systemen zu erhalten und zu fördern. Ein zentrales Element ist die Förderung der funktionellen Biodiversität, also jener Vielfalt, die direkt zur Ökosystemleistung beiträgt. Dies umfasst beispielsweise Bestäuber, natürliche Schädlingsfeinde und Bodenorganismen.
Ein weiteres wichtiges Prinzip ist die Schaffung von Habitatvielfalt innerhalb der landwirtschaftlichen Flächen. Dies kann durch die Anlage von Strukturelementen wie Hecken, Feldrainen oder Blühstreifen erreicht werden. Diese Elemente bieten Lebensraum für verschiedene Arten und fungieren als ökologische Korridore in der Agrarlandschaft.
Die Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden und synthetischen Düngemitteln ist ebenfalls ein Grundpfeiler dieser Bewirtschaftungsform. Stattdessen setzt man auf natürliche Regulationsmechanismen und die Förderung der Bodenfruchtbarkeit durch organische Düngung und schonende Bodenbearbeitung.
Nicht zuletzt spielt die Wahl standortangepasster und vielfältiger Kulturpflanzen eine entscheidende Rolle. Durch den Anbau verschiedener Sorten und Arten wird nicht nur die genetische Vielfalt erhöht, sondern auch die Resilienz des gesamten Systems gestärkt.
Anbaumethoden zur Förderung der Artenvielfalt
Die praktische Umsetzung biodiversitätsorientierter Landwirtschaft erfordert spezifische Anbaumethoden, die gezielt die Artenvielfalt auf den Ackerflächen fördern. Diese Methoden reichen von der Diversifizierung der Fruchtfolgen bis hin zu komplexen Agroforstsystemen.
Fruchtfolgediversifizierung nach dem Lohmann-Prinzip
Das Lohmann-Prinzip ist ein innovativer Ansatz zur Gestaltung vielfältiger Fruchtfolgen. Es basiert auf der Idee, dass jede Kulturpflanze in der Fruchtfolge eine andere botanische Familie repräsentieren sollte. Dadurch wird nicht nur die oberirdische Biodiversität gefördert, sondern auch die Vielfalt der Bodenorganismen unterstützt.
Eine typische Fruchtfolge nach dem Lohmann-Prinzip könnte beispielsweise so aussehen:
- Winterweizen (Süßgräser)
- Ackerbohnen (Schmetterlingsblütler)
- Kartoffeln (Nachtschattengewächse)
- Raps (Kreuzblütler)
- Hafer (Süßgräser, aber mit anderem Wurzelsystem als Weizen)
Diese Diversifizierung hilft, Nährstoffungleichgewichte im Boden zu vermeiden, Schädlingszyklen zu unterbrechen und die Bodenstruktur zu verbessern. Zudem bietet sie verschiedenen Insekten und Bodenlebewesen über das Jahr hinweg unterschiedliche Nahrungsquellen und Lebensräume.
Intercropping-Techniken für Kleinbauern
Intercropping, auch als Mischkultur bekannt, ist eine Anbaumethode, bei der zwei oder mehr Kulturpflanzen gleichzeitig auf derselben Fläche angebaut werden. Diese Technik ist besonders für Kleinbauern interessant, da sie eine effiziente Nutzung begrenzter Anbauflächen ermöglicht und gleichzeitig die Biodiversität fördert.
Ein klassisches Beispiel für Intercropping ist die Kombination von Mais, Bohnen und Kürbis, auch bekannt als die „Drei Schwestern“. Der Mais dient den Bohnen als Rankhilfe, die Bohnen fixieren Stickstoff im Boden, und der Kürbis unterdrückt durch seine großen Blätter das Unkrautwachstum. Diese Symbiose fördert nicht nur die Erträge, sondern schafft auch ein vielfältiges Habitat für Insekten und andere Kleintiere.
Weitere erfolgreiche Intercropping-Kombinationen sind:
- Getreide mit Klee oder Luzerne als Untersaat
- Karotten und Zwiebeln (die Zwiebeln halten Schädlinge von den Karotten fern)
- Tomaten und Basilikum (Basilikum verbessert den Geschmack der Tomaten und hält Schädlinge ab)
Durch die Vielfalt an Pflanzen auf engem Raum wird die Biodiversität sowohl ober- als auch unterirdisch gefördert. Zudem können diese Systeme oft eine höhere Gesamtproduktivität pro Flächeneinheit erreichen als Monokulturen.
Agroforstsysteme: Integration von Bäumen in Ackerflächen
Agroforstsysteme stellen eine besonders effektive Methode dar, um die Biodiversität in landwirtschaftlichen Systemen zu erhöhen. Sie kombinieren den Anbau von Bäumen oder Sträuchern mit Ackerkulturen oder Weidewirtschaft auf derselben Fläche. Diese Systeme schaffen komplexe Lebensräume und fördern die vertikale Strukturvielfalt in der Agrarlandschaft.
Ein typisches Agroforstsystem könnte beispielsweise Reihen von Obstbäumen oder Wertholzbäumen beinhalten, zwischen denen Getreide oder Gemüse angebaut wird. Die Bäume bieten nicht nur zusätzliche Erträge durch Früchte oder Holz, sondern erfüllen auch wichtige ökologische Funktionen:
- Windschutz und Verbesserung des Mikroklimas
- Erosionsschutz durch tiefreichendes Wurzelsystem
- Habitat für Vögel und Insekten, die als natürliche Schädlingsregulatoren fungieren
- Erhöhung der Kohlenstoffbindung im System
Studien haben gezeigt, dass Agroforstsysteme die Biodiversität um bis zu 50% im Vergleich zu konventionellen Anbausystemen steigern können. Besonders Vogelarten und Bodenorganismen profitieren von der erhöhten Strukturvielfalt.
Blühstreifen und Wildkräuterkorridore anlegen
Die Anlage von Blühstreifen und Wildkräuterkorridoren ist eine relativ einfach umzusetzende, aber hochwirksame Maßnahme zur Förderung der Biodiversität in der Agrarlandschaft. Diese linearen Strukturen bieten Nahrung und Lebensraum für eine Vielzahl von Insekten, insbesondere für Bestäuber wie Wildbienen und Schmetterlinge.
Bei der Anlage von Blühstreifen ist die Auswahl der Saatgutmischung entscheidend. Idealerweise sollte sie aus heimischen Wildpflanzenarten bestehen, die eine lange Blühperiode von Frühjahr bis Herbst abdecken. Eine beispielhafte Zusammensetzung könnte folgende Arten beinhalten:
- Kornblume ( Centaurea cyanus )
- Wilde Möhre ( Daucus carota )
- Wiesensalbei ( Salvia pratensis )
- Echte Kamille ( Matricaria chamomilla )
- Rotklee ( Trifolium pratense )
Wildkräuterkorridore können als Verbindungselemente zwischen naturnahen Habitaten dienen und so die Vernetzung in der Landschaft verbessern. Sie sollten mindestens 3-6 Meter breit sein und möglichst selten gemäht werden, um Rückzugsräume für Insekten und Kleintiere zu erhalten.
Durch die gezielte Platzierung dieser Strukturelemente, beispielsweise am Feldrand oder als Querstreifen durch große Ackerschläge, kann die funktionelle Biodiversität im gesamten Anbausystem erhöht werden. Studien haben gezeigt, dass Blühstreifen die Anzahl und Vielfalt von Bestäubern um bis zu 60% steigern können, was sich positiv auf die Erträge benachbarter Kulturen auswirken kann.
Bodenbewirtschaftung für erhöhte Biodiversität
Die Bodenbewirtschaftung spielt eine zentrale Rolle in der biodiversitätsorientierten Landwirtschaft. Ein gesunder, lebendiger Boden ist die Grundlage für die oberirdische Biodiversität und die Produktivität des gesamten Systems. Innovative Methoden der Bodenbearbeitung und -pflege zielen darauf ab, die Bodenstruktur zu verbessern, die organische Substanz zu erhöhen und die Vielfalt der Bodenorganismen zu fördern.
Minimale Bodenbearbeitung nach Conservation Agriculture
Die Conservation Agriculture (CA) ist ein Konzept, das auf drei Grundprinzipien basiert: minimale Bodenbearbeitung, permanente Bodenbedeckung und Fruchtfolgediversifizierung. Die minimale Bodenbearbeitung, oft auch als reduzierte Bodenbearbeitung bezeichnet, zielt darauf ab, den Boden so wenig wie möglich zu stören.
In der Praxis bedeutet dies oft den Verzicht auf den Pflug und den Einsatz von Mulchsaatverfahren. Dabei wird nur ein schmaler Streifen für die Saat bearbeitet, während der Rest der Fläche unberührt bleibt. Diese Methode hat mehrere Vorteile für die Bodendiversität:
- Erhalt der natürlichen Bodenstruktur und Förderung des Bodenlebens
- Verbesserung der Wasserinfiltration und -speicherung
- Reduzierung der Bodenerosion
- Erhöhung des organischen Kohlenstoffs im Boden
Studien haben gezeigt, dass die minimale Bodenbearbeitung die Biomasse und Diversität von Bodenmikroorganismen um bis zu 30% erhöhen kann. Besonders Regenwürmer und andere Bodenlebewesen profitieren von der reduzierten Störung.
Einsatz von Mykorrhiza-Pilzen zur Bodenverbesserung
Mykorrhiza-Pilze bilden symbiotische Beziehungen mit den Wurzeln vieler Pflanzenarten und spielen eine entscheidende Rolle für die Bodenfruchtbarkeit und Pflanzengesundheit. In der biodiversitätsorientierten Landwirtschaft wird der gezielte Einsatz dieser Pilze zunehmend als Methode zur Bodenverbesserung und Ertragssteigerung genutzt.
Die Vorteile des Einsatzes von Mykorrhiza-Pilzen sind vielfältig:
- Verbesserung der Nährstoff- und Wasseraufnahme der Pflanzen
- Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und abiotischen Stress
- Förderung der Bodenstruktur durch die Bildung stabiler Aggregate
- Steigerung der Biodiversität im Boden
In der Praxis kann die Anwendung von Mykorrhiza-Präparaten bei der Aussaat oder Pflanzung erfolgen. Besonders effektiv ist der Einsatz in Kombination mit reduzierter Bodenbearbeitung und organischer Düngung, da diese Praktiken die natürliche Entwicklung der Pilzgemeinschaften im Boden unterstützen.
Studien haben gezeigt, dass der Einsatz von Mykorrhiza-Pilzen die Erträge bestimmter Kulturen um 20-40% steigern kann, bei gleichzeitiger Reduzierung des Bedarfs an mineralischen Düngemitteln.
Gründüngung mit Leguminosen-Mischungen
Die Gründüngung mit Leguminosen-Mischungen ist eine effektive Methode, um die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern und gleichzeitig die Biodiversität zu fördern. Leguminosen, wie Klee, Luzerne oder Erbsen, haben die Fähigkeit, in Symbiose mit Knöllchenbakterien atmosphärischen Stickstoff zu fixieren und so den Boden mit diesem wichtigen Nährstoff anzureichern.
Eine typische Leguminosen-Mischung für die Gründüngung könnte folgende Arten enthalten:
- Rotklee ( Trifolium pratense )
- Luzerne ( Medicago s
- Luzerne (Medicago sativa)
- Inkarnatklee (Trifolium incarnatum)
- Alexandrinerklee (Trifolium alexandrinum)
- Ackerbohne (Vicia faba)
Die Vorteile der Gründüngung mit Leguminosen-Mischungen sind vielfältig:
- Stickstoffanreicherung im Boden, was den Bedarf an synthetischen Düngemitteln reduziert
- Verbesserung der Bodenstruktur durch intensive Durchwurzelung
- Erhöhung des Humusgehalts durch Einarbeitung der Biomasse
- Förderung des Bodenlebens, insbesondere von Mikroorganismen
- Unterdrückung von Unkräutern durch schnelle Bodenbedeckung
In der Praxis wird die Gründüngung oft als Zwischenfrucht oder Untersaat angebaut. Nach einigen Wochen Wachstum wird die Biomasse gemulcht und oberflächlich in den Boden eingearbeitet. Diese Methode fördert nicht nur die Bodenfruchtbarkeit, sondern bietet auch Nahrung und Lebensraum für Insekten und andere Kleintiere, was die oberirdische Biodiversität zusätzlich unterstützt.
Integrierter Pflanzenschutz im biodiversen Landbau
Der integrierte Pflanzenschutz ist ein Kernkonzept der biodiversitätsorientierten Landwirtschaft. Er zielt darauf ab, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel zu minimieren und stattdessen natürliche Regulationsmechanismen zu nutzen. Dabei spielen die Förderung von Nützlingen und der Einsatz biologischer Pflanzenschutzmethoden eine zentrale Rolle.
Nützlingsförderung durch Habitat-Management
Das Habitat-Management ist eine Strategie, die darauf abzielt, gezielt Lebensräume für nützliche Insekten und andere Tiere zu schaffen, die als natürliche Gegenspieler von Schädlingen fungieren. Diese Methode nutzt die natürlichen Regulationsmechanismen des Ökosystems, um Schädlingspopulationen unter Kontrolle zu halten.
Einige praktische Maßnahmen zur Nützlingsförderung sind:
- Anlage von Blühstreifen mit nektarreichen Pflanzen für Schwebfliegen und Schlupfwespen
- Schaffung von Überwinterungsquartieren wie Totholzhaufen oder Steinhaufen für Laufkäfer und Spinnen
- Erhalt von Hecken und Feldgehölzen als Lebensraum für insektenfressende Vögel
- Installation von Nisthilfen für Wildbienen und solitäre Wespen
Studien haben gezeigt, dass ein effektives Habitat-Management den Bedarf an Insektiziden um bis zu 70% reduzieren kann, während gleichzeitig die Biodiversität auf den Flächen signifikant zunimmt.
Biologische Schädlingsbekämpfung mit Trichogramma-Schlupfwespen
Die Verwendung von Trichogramma-Schlupfwespen ist ein Paradebeispiel für biologische Schädlingsbekämpfung in der biodiversitätsorientierten Landwirtschaft. Diese winzigen Wespen sind natürliche Feinde verschiedener Schadschmetterlinge und werden insbesondere zur Bekämpfung des Maiszünslers eingesetzt.
Der Einsatz erfolgt in der Regel durch das Ausbringen von mit Schlupfwespeneiern besetzten Karten im Feld. Die schlüpfenden Wespen parasitieren dann die Eier der Schädlinge, wodurch deren Entwicklung unterbunden wird. Die Vorteile dieser Methode sind:
- Hohe Spezifität: Trichogramma-Wespen bekämpfen gezielt bestimmte Schädlinge
- Keine Rückstände: Im Gegensatz zu chemischen Insektiziden bleiben keine schädlichen Rückstände auf den Pflanzen
- Selbstregulierend: Die Wespen vermehren sich nur, solange Wirtseier vorhanden sind
- Förderung der Biodiversität: Durch den Verzicht auf Breitband-Insektizide werden andere nützliche Insekten geschont
In der Praxis hat sich gezeigt, dass der Einsatz von Trichogramma-Schlupfwespen die Schäden durch den Maiszünsler um bis zu 75% reduzieren kann, bei gleichzeitiger Steigerung der Insektenvielfalt im Feld.
Einsatz von Pheromonfallen im ökologischen Obstbau
Pheromonfallen sind ein wichtiges Werkzeug im integrierten Pflanzenschutz, insbesondere im ökologischen Obstbau. Sie nutzen synthetisch hergestellte Sexuallockstoffe, um männliche Schadinsekten anzulocken und zu fangen. Dies dient sowohl der Überwachung von Schädlingspopulationen als auch der direkten Bekämpfung durch Verwirrung der Männchen.
Die Anwendung von Pheromonfallen umfasst typischerweise folgende Schritte:
- Installation der Fallen zu Beginn der Flugzeit der Zielart
- Regelmäßige Kontrolle und Dokumentation der Fangzahlen
- Auswertung der Daten zur Bestimmung des optimalen Bekämpfungszeitpunkts
- Bei der Verwirrungstechnik: Flächendeckende Ausbringung von Pheromondispensern
Besonders erfolgreich ist der Einsatz von Pheromonfallen gegen den Apfelwickler. Durch die Verwirrungstechnik können Schäden um bis zu 90% reduziert werden, ohne dass Insektizide zum Einsatz kommen. Dies fördert nicht nur die Biodiversität im Obstgarten, sondern ermöglicht auch die Produktion von rückstandsfreiem Obst.
Tierhaltung in biodiversitätsorientierten Betrieben
Die Integration von Tierhaltung in biodiversitätsorientierte Betriebe bietet zahlreiche Synergien. Eine artgerechte und extensive Tierhaltung kann wesentlich zur Förderung der Artenvielfalt beitragen, indem sie vielfältige Lebensräume schafft und erhält.
Weidehaltung mit robusten Zweinutzungsrassen
Die Weidehaltung mit robusten Zweinutzungsrassen ist ein Kernkonzept der biodiversitätsorientierten Tierhaltung. Zweinutzungsrassen sind Tiere, die sowohl für die Milch- als auch für die Fleischproduktion geeignet sind. Sie sind oft robuster und besser an extensive Haltungsformen angepasst als hochspezialisierte Leistungsrassen.
Einige Vorteile der Weidehaltung mit Zweinutzungsrassen sind:
- Erhalt und Pflege von artenreichem Grünland
- Förderung der Insektenvielfalt durch extensive Beweidung
- Reduzierung des Kraftfuttereinsatzes zugunsten von Weidegras
- Erhöhte Tiergesundheit durch artgerechte Haltung
- Erhalt genetischer Vielfalt in der Nutztierzucht
Beispiele für geeignete Zweinutzungsrassen sind das Deutsche Schwarzbunte Niederungsrind, das Fleckvieh oder das Braunvieh. Diese Rassen können unter extensiven Bedingungen gehalten werden und tragen durch ihre Beweidung zur Erhaltung artenreicher Wiesen und Weiden bei.
Hühnermobile für artgerechte Freilandhaltung
Hühnermobile sind eine innovative Lösung für die artgerechte Freilandhaltung von Legehennen in biodiversitätsorientierten Betrieben. Es handelt sich um fahrbare Ställe, die regelmäßig auf der Weide umgesetzt werden. Diese Methode bietet mehrere Vorteile:
- Gleichmäßige Verteilung der Nährstoffe aus dem Hühnerkot auf der Fläche
- Vermeidung von Übernutzung einzelner Weidebereiche
- Reduzierung des Krankheitsdrucks durch regelmäßigen Flächenwechsel
- Förderung der Biodiversität durch extensive Nutzung der Weideflächen
- Erhöhtes Tierwohl durch ständigen Zugang zu frischem Grünland
In der Praxis werden Hühnermobile oft in Kombination mit Obstanlagen oder auf Grünland eingesetzt. Die Hühner tragen durch ihre Aktivität zur Unkrautregulierung und Schädlingsbekämpfung bei, während sie gleichzeitig die Biodiversität durch ihre extensive Nutzung der Fläche fördern.
Integration von Nutztieren in Permakultur-Systeme
Die Integration von Nutztieren in Permakultur-Systeme ist ein ganzheitlicher Ansatz, der die natürlichen Verhaltensweisen und Bedürfnisse der Tiere nutzt, um ökologische Kreisläufe zu schließen und die Biodiversität zu fördern. In solchen Systemen übernehmen die Tiere verschiedene Funktionen:
- Schweine als natürliche „Pflüger“ und Kompostierer
- Hühner zur Schädlingskontrolle und Düngung in Obstanlagen
- Schafe oder Ziegen zur Landschaftspflege und Offenhaltung von Flächen
- Bienen zur Bestäubung und Honigproduktion
Ein Beispiel für ein integriertes Permakultur-System könnte so aussehen: Hühner werden in einem Obstgarten gehalten, wo sie Fallobst fressen und gleichzeitig den Boden düngen. Schweine können zeitweise in Waldgärten eingesetzt werden, um den Boden zu lockern und Wurzelunkräuter zu bekämpfen. Schafe oder Ziegen beweiden Streuobstwiesen und halten so die Vegetation kurz.
Durch diese Integration werden nicht nur die Ressourcen optimal genutzt, sondern es entstehen auch vielfältige Lebensräume für wilde Tier- und Pflanzenarten. Studien haben gezeigt, dass solche integrierten Systeme die Biodiversität um bis zu 30% im Vergleich zu konventionellen Systemen erhöhen können.
Zertifizierung und Vermarktung biodiversitätsfördernder Produkte
Die Zertifizierung und Vermarktung von Produkten aus biodiversitätsorientierter Landwirtschaft spielt eine wichtige Rolle, um den Mehrwert dieser Bewirtschaftungsform für Verbraucher sichtbar zu machen und Landwirten einen wirtschaftlichen Anreiz zu bieten.
Verschiedene Zertifizierungssysteme haben Kriterien entwickelt, die speziell die Förderung der Biodiversität berücksichtigen. Dazu gehören:
- Bio-Zertifizierungen mit zusätzlichen Biodiversitäts-Kriterien
- Spezielle Label für biodiversitätsfördernde Produktion, wie „Biodiversity-friendly“
- Regionale Qualitätssiegel, die Biodiversitätsaspekte einbeziehen
Die Vermarktung dieser Produkte erfordert oft innovative Ansätze. Erfolgreiche Strategien umfassen:
- Direktvermarktung über Hofläden oder Bauernmärkte
- Kooperationen mit regionalen Einzelhändlern und Gastronomen
- Online-Vertrieb mit detaillierten Informationen zur Produktionsweise
- Bildungsangebote wie Hofführungen oder Workshops zur Sensibilisierung der Verbraucher
Die Erfahrung zeigt, dass Verbraucher zunehmend bereit sind, einen Mehrpreis für Produkte zu zahlen, die nachweislich zur Förderung der Biodiversität beitragen. Dies ermöglicht es Landwirten, die oft höheren Produktionskosten biodiversitätsorientierter Methoden auszugleichen und macht diese Form der Landwirtschaft wirtschaftlich tragfähig.
Durch die Kombination von biodiversitätsfördernden Anbaumethoden, integrierten Pflanzenschutzkonzepten, artgerechter Tierhaltung und gezielter Vermarktung können landwirtschaftliche Betriebe einen wesentlichen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt leisten und gleichzeitig ökonomisch erfolgreich sein. Die praktische Umsetzung erfordert oft ein Umdenken und die Bereitschaft zu Innovation, bietet aber langfristig Chancen für eine nachhaltige und zukunftsfähige Landwirtschaft.